Thomas Kirches, Gründer von DentBeratung, sitzt lächelnd in einem modernen Raum. Links im Bild steht auf blauem Hintergrund der Text: „Was junge Gründerinnen und Gründer heute anders machen“.

„Die junge Generation denkt langfristiger“

Thomas Kirches berät unabhängig Zahnärztinnen und Zahnärzte in allen Phasen ihrer beruflichen Entwicklung. Im Interview spricht er darüber, was junge Gründerinnen und Gründer heute anders machen als frühere Generationen und wo die Stolperfallen liegen.

 

Herr Kirches, Sie begleiten Zahnärztinnen und Zahnärzte bei der Gründung ihrer Praxis. Was unterscheidet die Gründerinnen und Gründer von heute von früheren Generationen?

Eines hat sich deutlich verändert: Im Durchschnitt gründen die jungen Zahnärztinnen und Zahnärzte heute später, meist mit Anfang bis Mitte 30. Sie bringen dann aber auch mehr Berufserfahrung mit, haben in unterschiedlichen Praxen gearbeitet, gute wie schlechte Vorbilder erlebt und wissen genauer, wie ihre Traumpraxis aussehen soll. Diese längere Anlaufphase führt zu einer deutlich besseren Vorbereitung. Außerdem ist heute viel stärker im Bewusstsein, dass Gründung eine betriebswirtschaftliche Entscheidung ist, die fachliche, organisatorische und persönliche Kompetenzen erfordert.

 

Was motiviert junge Zahnärztinnen und Zahnärzte dazu, den Schritt in die Selbstständigkeit zu gehen?

Ganz klar: Selbstverwirklichung. Viele sagen, ich möchte Prozesse anders gestalten, ich möchte mit einem Team arbeiten, das meine Werte teilt, und ich möchte eine Praxis nach meinen Wünschen schaffen. Natürlich spielen auch finanzielle Aspekte eine Rolle, aber die wichtigste Motivation ist: eigene Ideen umzusetzen und das eigene Arbeitsumfeld selbst zu bestimmen. Diese Generation hat erlebt, wie es ist, angestellt zu sein. Das ist ein Schatz an Erfahrung, aber auch oft Antrieb, Dinge besser zu machen.

 

Was sollten Praxen tun?

Sie sollten sich um ein vertrauensvolles Verhältnis zu ihren Patientinnen und Patienten bemühen. Dies gelingt vor allem durch eine offene Kommunikation, in der sich die Patientinnen und Patienten frei äußern können und das medizinische Personal sie durch gezielte Fragen unterstützt. Gerade im zahnmedizinischen Kontext kann das helfen, das eigentliche Anliegen zu verstehen: Was erwarten die Patientinnen und Patienten wirklich, wie stellen sie sich das Ergebnis der Behandlung vor? Vertrauen entsteht nur, wenn sie sich sicher fühlen.

 

Wo sehen Sie bei der Gründung die größten Chancen – und wo typische Stolpersteine?

Die Chancen liegen in der langfristigen Planung. Wer heute gründet, denkt bereits die Entwicklung der Praxis bis hin zur späteren Übergabe mit. Ein Beispiel: Wir verlieren jährlich zwar 600 Praxen, doch die Zahl der Zahnärztinnen und Zahnärzte bleibt gleich. Es arbeiten also tendenziell mehr als Angestellte, die allerdings eine kürzere Arbeitszeit haben. Das hat auf die Praxisstruktur und -organisation erhebliche Auswirkungen. Doch das Bewusstsein dafür, was eine Praxis in 30 Jahren noch attraktiv macht, ist da. Gleichzeitig gibt es typische Fallstricke: Mietverträge, Finanzierungen, Arbeitsverträge – hier passieren oft Fehler, weil es an Know-how mangelt. Als Berater verhindern wir wöchentlich zwei bis drei Verträge, weil sie schlecht aufgesetzt sind. Gründung ist heute komplexer als früher, das kann man nicht mehr allein stemmen.

 

Viele junge Gründerinnen und Gründer wollen Praxisabläufe moderner gestalten. Was sind aus Ihrer Sicht die größten Hebel, um eine Praxis zukunftsfähig aufzustellen?

Ein zentraler Hebel ist die Fokussierung. Früher arbeitete man allgemein zahnmedizinisch. Heute kann man sich auf Endodontologie, Parodontologie, Implantologie oder ästhetische Zahnmedizin spezialisieren. Von der angebotenen Leistung hängt das Praxiskonzept ab. Wer beispielsweise ein echtes Prophylaxe-Konzept verfolgt, muss das mit dem Team gemeinsam tragen – inklusive Raumplanung und Terminvergabe. Digitalisierung ist ein weiteres großes Thema: von Online-Terminbuchung über digitales Röntgen bis zu CAD/CAM-Systemen. Wichtig ist, nicht alles auf einmal anzugehen. Wer sich verzettelt, hat am Ende nichts davon. Viel besser ist es, diszipliniert Schritt für Schritt vorzugehen und das Team mitzunehmen.

 

Wo stößt die junge Generation mit ihren frischen Ideen an Grenzen, sei es durch Standesrecht oder Branchengewohnheiten?

Einige Grenzen sind rechtlich, zum Beispiel die Tatsache, dass manche Kassenzahnärztliche Vereinigungen nur zum Quartalsbeginn die Neugründung erlauben. Andere Grenzen sind kulturell: Wer andere Öffnungszeiten will, etwa am Abend oder Samstag, braucht ein Team, das das mitträgt. Auch sogenannte „ungeschriebene Gesetze“ spielen eine Rolle, etwa bestimmte Zahnersatzstandards oder Abläufe, die einfach „immer schon so“ gemacht wurden. Die große Herausforderung ist, solche Gewohnheiten bewusst zu hinterfragen.

 

Ein großes Ziel vieler junger Gründerinnen und Gründer ist eine moderne Teamkultur. Was gehört aus Ihrer Sicht heute zu einer guten Führungskultur in einer Zahnarztpraxis?

Wertschätzung ist das A und O. Und die zeigt sich nicht nur im Gehalt, sondern im Miteinander. Eine gute Führungskraft bindet das Team ein, gibt Orientierung und entwickelt gemeinsam Ziele – gerne auch mit Belohnung: vom Musical-Wochenende bis zum Teamausflug nach Mallorca. Wichtig ist aber auch, Rollen klar zu definieren: Wer ist weisungsbefugt, wer ist weisungsgebunden? Gerade junge Gründerinnen und Gründer tun sich da anfangs manchmal schwer, weil sie gerne auch bester Freund oder beste Freundin ihres Teams sein wollen. Doch Führung bedeutet eben auch, Konflikte zu lösen, klare Erwartungen zu formulieren und Verantwortung zu übernehmen. Und das kann man lernen – etwa durch Coaching, das heute viel selbstverständlicher ist als früher.

 

 

 

— Das Interview führte Michael Hasenpusch.

Dieser Artikel erschien ursprünglich in der Ausgabe 03/2025 des DZR Xtrablatt.