Eine Zahnärztin mit Brille und weißem Kittel spricht mit einer Patientin im Rollstuhl in einer modernen Praxis. Links im Bild befindet sich eine blaue Textfläche mit der Überschrift „Best Practice“ und dem Titel „Barrierefreiheit in Zahnarztpraxen: Pflichten, Chancen & Förderungen“.

Barrierefreiheit kann sich lohnen

Von den Kleinkindjahren bis ins hohe Alter gehört der Besuch in der Zahnarztpraxis zum Leben. Doch für Menschen mit eingeschränkter Mobilität und Schwierigkeiten beim Hören, Sehen oder Verstehen kann das schwierig werden. Praxen können dem mit Barrierefreiheit gerecht werden – und auch selbst davon profitieren.

Eine barrierefreie Praxis – das klingt nach einem großen Aufwand, der Zeit, Mühe und Geld kostet. Gerade für Letzteres wäre eine Förderung wünschenswert, und hier gibt es Gutes und weniger Gutes zu vermelden. Gut ist, dass Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach Anfang Dezember 2024 seinen „Aktionsplan für ein diverses, inklusives und barrierefreies Gesundheitswesen“ vorgelegt hat. Darin heißt es unter anderem: „Arzt- und Zahnarztpraxen sollen barrierefrei werden. Entsprechende bauliche Änderungen sollen aus dem Strukturfonds gefördert werden.“ Weniger gut ist, dass fraglich bleibt, ob der Aktionsplan wie geplant umgesetzt wird. Dabei wäre das eine Maßnahme mit großem Nutzen. Denn Barrierefreiheit betrifft schon heute viele Menschen und wird in Zukunft für einen noch größeren Kreis ein Thema sein.

Das gilt nicht nur für die 7,9 Millionen Menschen, die in Deutschland mit einer Behinderung leben, sondern auch für die immer älter werdende Gesellschaft. Die Zahl der Menschen im Rentenalter, das sind nach heutigem Stand die über 67-Jährigen, wird nach Angaben des Statistischen Bundesamtes bis Mitte der 2030er-Jahre auf mindestens 20 Millionen steigen. Sie werden dann gut ein Viertel der Bevölkerung ausmachen und erfahrungsgemäß mehr für zahnärztliche Behandlungen ausgeben als Jüngere. Grund dafür sind die mit zunehmendem Alter oft umfangreicheren und kostenintensiveren Leistungen wie Zahnersatz oder die Behandlung von Parodontitis. Insofern verursacht die barrierefreie Gestaltung der Zahnarztpraxis nicht nur Aufwand und Kosten, sondern bietet auch Chancen. Denn wer sich hier engagiert, kann von einem größeren Patientenstamm profitieren, der auch dann erhalten bleibt, wenn Schwierigkeiten mit der Mobilität, dem Hören, Sehen oder Verstehen auftreten.

Verpflichtung zur Barrierefreiheit – Wann gilt sie?

Den Patientinnen und Patienten einfachen Zugang, Bewegungsfreiheit in der Praxis, verständliche Kommunikation und digitale Teilhabe zu bieten, ist keine Frage wirtschaftlicher Erwägungen oder des guten Willens, sondern – mit Einschränkungen – gesetzlich vorgeschrieben. Die Rechtslage zur Barrierefreiheit ist jedoch etwas unübersichtlich, weil es, wie immer beim Bauen, Gesetze und Verordnungen auf Bundes- und Landesebene gibt – und Ausnahmen. Aus Sicht des Bundes müssen öffentlich zugängliche Gebäude, und dazu gehören auch Zahnarztpraxen, barrierefrei sein. Die Verpflichtung zur Barrierefreiheit gilt aber nicht für alle und nicht sofort. Es kommt darauf an, ob es sich um einen Neubau oder ein bestehendes Gebäude handelt, und in welchem Bundesland sich die Praxis befindet.

Neubauten müssen grundsätzlich barrierefrei sein, bestehende Praxen genießen in der Regel Bestandsschutz. Sie müssen nur dann barrierefrei gestaltet werden, wenn das Gebäude wesentlich umgebaut oder erweitert oder wenn die Nutzung geändert wird. Ein wesentlicher baulicher Eingriff kann beispielsweise bei der Erweiterung der Praxisfläche durch einen Anbau oder bei der Neugestaltung der Sanitärräume vorliegen. Eine Nutzungsänderung liegt vor, wenn ein bisher anderweitig genutztes Gebäude in eine Zahnarztpraxis umgewandelt wird. Wann solche Fälle die Pflicht zur Barrierefreiheit auslösen und wie diese konkret aussieht, regeln die Landesbauordnungen. Natürlich hindert der Bestandsschutz niemanden daran, seine Zahnarztpraxis freiwillig barrierefrei zu gestalten.

Praktische Gestaltung – Vom Gebäude bis zur Website

Geht es an den Umbau, ist die DIN 18040-1 „Barrierefreies Bauen – Öffentlich zugängliche Gebäude“ maßgeblich. Sie regelt bundesweit, wie öffentliche Gebäude barrierefrei zu gestalten sind. Dabei geht es um fünf Punkte:

  • den stufenlosen Zugang zu allen öffentlichen Bereichen,
  • die Breite und Höhe von Türen und Durchgängen,
  • die Bewegungsfreiheit in Räumen,
  • die Gestaltung von Sanitärräumen
  • und Orientierungshilfen für seh- und hörbehinderte Menschen.

 

Diese fünf Punkte betreffen in den meisten Fällen den Empfang, den Wartebereich, die Praxisräume und den Sanitärbereich, aber auch digitale Kommunikationsmittel wie die Website, die beispielsweise so gestaltet sein sollte, dass sie einfach per Tastatur bedienbar ist. Hohe Farbkontraste, individuell anpassbare Schriftgrößen und gut lesbare Schriften erleichtern Menschen mit Sehbeeinträchtigungen ihre Nutzung. Videos werden von Untertiteln oder Audiokommentaren begleitet. Als Ergänzung sollten alternative Kommunikationswege wie E-Mail oder Chat angeboten werden, um den Kontakt zur Praxis zu erleichtern. Ob digital oder auf Papier: Über alle Kommunikationsmittel hinweg sollte die Sprache klar und einfach verständlich sein – das gilt ganz besonders für die medizinischen Themen. Denn Barrierefreiheit beginnt bereits beim Lesen oder Hören der Informationen oder bei der Onlineterminvereinbarung.

Fördermöglichkeiten im Überblick

Solange der erwähnte Aktionsplan des Bundesgesundheitsministeriums nur ein Plan ist, bleibt den Praxisinhaberinnen und Praxisinhabern auf der Suche nach finanzieller Unterstützung für die Barrierefreiheit bis auf Weiteres nur der Weg durch das Dickicht der verfügbaren Fördermittel. Die KfW beispielsweise bietet Gründerinnen und Gründern eine Reihe von Finanzinstrumenten, etwa den ERP-Gründerkredit – Startgeld (Nr. 067), den ERP-Förderkredit für kleine und mittlere Unternehmen (Nr. 365) oder den ERP-Förderkredit Gründung und Nachfolge (Nr. 077) für bis zu fünf Jahre nach Aufnahme der Geschäftstätigkeit.

Unterstützung gibt es auch von einzelnen Bundesländern oder Kommunen. So fördert der Freistaat Sachsen seit Jahren unter dem Namen „Lieblingsplätze für alle“ barrierefreies Bauen, explizit auch für Zahnarztpraxen. Von den insgesamt veranschlagten vier Millionen Euro gehen 25 Prozent vorrangig an Praxen, die Fördersumme kann bis zu 25.000 Euro betragen. Auch in Schleswig-Holstein wurden 2024 wieder „Investive Vorhaben zur Herstellung von Barrierefreiheit“ in Arztpraxen gefördert. Einzelpraxen bekommen maximal 30.000 Euro, alle anderen bis zu 40.000 Euro. Als nach eigenen Angaben erste Kommune in Deutschland hat die Stadt München ein Förderprogramm für die Barrierefreiheit von Praxen aufgelegt, das entsprechende Projekte mit bis zu 20.000 Euro pro Praxis unterstützt.

Auch Organisationen bieten Unterstützung an, zum Beispiel „Aktion Mensch“ mit der „Investitionsförderung Barrierefreiheit“. Die maximale Fördersumme beträgt hier 300.000 Euro bei 20 Prozent Eigenmitteln.

 

Barrierefreiheit in Kürze

Barrierefreiheit ermöglicht Menschen mit Mobilitäts-, Seh-, Hör- oder kognitiven Einschränkungen einen uneingeschränkten Zugang und eine uneingeschränkte Nutzung. Sie umfasst bauliche, kommunikative und digitale Maßnahmen.

1. Gesetzliche Vorgaben

Neubauten müssen barrierefrei sein. Bestehende Gebäude müssen bei größeren Umbauten oder Nutzungsänderungen angepasst werden.

2. Umsetzung

Barrierefreies Bauen erfordert eine sorgfältige Planung und die Berücksichtigung technischer, rechtlicher und praktischer Anforderungen. Maßgeblich sind die DIN 18040-1 (Barrierefreies Bauen – Öffentlich zugängliche Gebäude) und die jeweiligen Landesbauordnungen.

3. Kommunikative Barrierefreiheit

Die Verwendung von Leichter Sprache in Wort und Schrift ist wichtig. Behandlungsschritte sollten ausführlich erklärt werden, Möglichkeiten für Rückfragen geboten, Missverständnisse vermieden und Vertrauen geschaffen werden. Schriftliche Kommunikation sollte möglich sein, zum Beispiel per E-Mail oder SMS. Die Praxismitarbeiterinnen und -mitarbeiter sollten im Umgang mit hör- und sehbehinderten sowie kognitiv eingeschränkten Patientinnen und Patienten geschult sein.

4. Digitale Barrierefreiheit

Wichtige Informationen und Kontaktmöglichkeiten sollten übersichtlich auf der Website platziert werden. Die Navigation sollte klar strukturiert und die Informationen leicht verständlich sein. Für die Gestaltung der Website empfiehlt sich die Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung (BITV). Diese fordert unter anderem, dass die Website vollständig mit der Tastatur, also ohne Maus, bedienbar sein muss.

5. Fördermöglichkeiten

Die KfW bietet einige Programme mit günstigen Krediten für Umbauten und Modernisierungen an. Es gibt regionale und kommunale Förderprogramme, zum Beispiel in Sachsen und München, aber auch Förderungen durch Organisationen wie „Aktion Mensch“.

6. Vorteile für die Praxis

Eine barrierefreie Praxis kann den Patientenstamm vergrößern, insbesondere bei älteren Patientinnen und Patienten sowie Menschen mit Einschränkungen. Zudem steigert sie die Patientenzufriedenheit und -bindung. Eine barrierefreie Zahnarztpraxis hat zudem ein positives Image als moderne, inklusive Einrichtung.

 

Autor: Michael Hasenpusch

Dieser Artikel erschien ursprünglich in der Ausgabe 01/2025 des DZR Xtrablatt.