Älteres Paar sitzt vor einem Laptop und nimmt an einer Videosprechstunde mit einem Zahnarzt teil; daneben blauer Kasten mit der Überschrift „Digitalisierung“ und dem Text „Telezahnmedizin: Die Zukunft der Sprechstunde beim Zahnarzt?“.

Telezahnmedizin - eine bisher wenig genutzte Chance

Seit 2020 dürfen Zahnarztpraxen Telezahnmedizin in Form von Videosprechstunde, Videofallkonferenz und Telekonsil bei der vertragszahnärztlichen Versorgung anbieten. Doch wird diese Möglichkeit auch genutzt?

Die Suche nach einer zahnärztlichen Videosprechstunde ist nicht einfach. Nur einige wenige Praxen in Deutschland bieten sie an – zum Beispiel das Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde der Universitätsmedizin Greifswald. Der zuständige Zahnarzt Andreas Söhnel räumt allerdings ein, dass die Nachfrage bislang eher gering war: „In den letzten Jahren fand lediglich drei Mal eine ‚echte‘ Onlineprechstunde statt, bei der sich jeweils Angstpatientinnen oder -patienten gemeldet haben und den Ablauf einer Behandlung ausloten wollten.“ Die Videosprechstunde scheint in Deutschland also noch Entwicklungspotenzial zu haben.

Milliardenmarkt für Telezahnmedizin?

Anderswo ist man bei der Telezahnmedizin ein – kleines – Stück weiter, zum Beispiel in den USA. Einer Onlineumfrage aus dem Jahr 2023 zufolge, an der 244 Zahnärztinnen und Zahnärzte teilnahmen, haben 30 Prozent „Teledentristy“ in ihren Praxisalltag integriert. Durchgeführt wurde die Umfrage von der American Dental Association (ADA), der größten zahnmedizinischen Organisation in den USA. Etwas mehr als die Hälfte nutzt die sogenannte „Synchrone Telezahnmedizin“, bei der Zahnärztin oder Zahnarzt und Patientin oder Patient in Echtzeit in Kontakt stehen, knapp zwei Drittel nutzen die „Asynchrone Telezahnmedizin“. Hier werden Informationen wie Fotos, Videos oder Röntgenbilder aufgezeichnet und erst zu einem späteren Zeitpunkt zur Auswertung an die Praxis geschickt.

Erstmals ernsthaft genutzt wurde die Teledentistry in den USA im Rahmen des „Total Dental Access“-Projekt des US-Verteidigungsministeriums im Jahr 1994, mit dem die zahnmedizinische Versorgung der Soldatinnen und Soldaten verbessert werden sollte. Die aktuelle Situation dort stellt sich jedoch ambivalent dar. Einerseits sprechen verschiedene US-Beratungs- und Marktforschungsunternehmen von einem weltweiten Milliardenmarkt für Telezahnmedizin. Andererseits kommt die ADA im Fazit ihrer Onlineumfrage zu dem Schluss, dass Telezahnmedizin zwar in letzter Zeit an Popularität gewonnen hat, aber trotz der offensichtlichen Vorteile noch zu wenig genutzt wird.

Drei verschiedene Formen von Telezahnmedizin

In Deutschland können Zahnärztinnen und Zahnärzte seit 2020 auch in der vertragszahnärztlichen Versorgung Videosprechstunden, Videofallkonferenzen und Telekonsultationen nutzen. Anspruch auf die beiden erstgenannten Leistungen haben laut Kassenzahnärztlicher Bundesvereinigung allerdings nur „gesetzlich Versicherte mit Pflegegrad, gesetzlich Versicherte, die Eingliederungshilfe erhalten, sowie gesetzlich Versicherte, bei denen Leistungen im Rahmen eines Kooperationsvertrages mit einer Pflegeeinrichtung erbracht werden“. Telekonsile können dagegen für alle gesetzlich Versicherten abgerechnet werden.

Die Videosprechstunde findet zwischen Zahnärztin oder Zahnarzt und Patientin oder Patient statt, bei Bedarf im Beisein der Pflege- oder Betreuungsperson. Bei der Videofallkonferenz tauschen sich die Zahnärztin oder der Zahnarzt und das Pflegepersonal darüber aus, wie die Behandlung besser koordiniert und organisiert werden kann. Das Telekonsil dient dem fachlichen Austausch zwischen den an der Behandlung beteiligten Zahnärztinnen und Zahnärzten, zum Beispiel zur gemeinsamen Beurteilung von Röntgenbildern.

Mobile zahnmedizinische Versorgung

Zu den Vorteilen der Telezahnmedizin gehört es auch, die Gesundheitsversorgung dorthin zu bringen, wo sich aufgrund der ländlichen Struktur bereits Versorgungslücken bei Zahnärztinnen und Zahnärzten abzeichnen – oder wo es Menschen aufgrund ihres Alters oder ihrer Lebenssituation generell an Mobilität mangelt. Dafür gibt es weitere kreative Lösungen, wie einige Beispiele zeigen. Die Praxis Dr. Blum & Partner aus Bad Ems fährt mit ihrem Zahnmobil – einem Lkw mit voll ausgestattetem Container – einmal wöchentlich Pflegeheime an. Für ähnliche Zwecke nutzt auch die Blomberger Zahnarztpraxis der Brüder Björn und Sören Clamors ihr mobiles „zahnärztliches Behandlungszimmer“, einen dafür voll ausgestatteten Kleintransporter namens „BumV“ (Behandlung und medizinische Versorgung). Bei Dr. Astrid Baumstieger & Kollegen in Kronberg wiederum werden alle notwendigen Geräte sogar bis ins Patientenzimmer gebracht. Zur zahnärztlichen Behandlung führen also viele Wege. Der Besuch in der Praxis scheint derzeit aber weiterhin der beliebteste zu sein.

Möglichkeiten der Telezahnmedizin

  • Zugang zur Versorgung: Ermöglicht eine niedrigschwellige, ortsunabhängige Versorgung, zum Beispiel für ältere oder mobilitätseingeschränkte Patientinnen und Patienten.
  • Interdisziplinäre Zusammenarbeit: Erleichtert die Kommunikation mit anderen Fachärztinnen und Fachärzten wie Kieferorthopäden, Oralchirurgen oder Hausärzten. Erleichtert eine umfassende Diagnostik und abgestimmte Behandlungspläne. Effizienterer Austausch mit Zahntechnikerinnen und Zahntechnikern bei der Planung von Zahnersatz oder Prothesen.
  • Digitale Sprechstunde: Zahnärztliche Erst- und Zweitmeinung per Videotelefonie, auch geeignet für Kontrollgespräche oder Nachsorge.
  • Zeit- und Kosteneffizienz: Telezahnmedizin spart Fahrzeit und Kosten, insbesondere in ländlichen Regionen mit eingeschränkter zahnärztlicher Versorgung.

 

Autor: Michael Hasenpusch

 

Dieser Artikel erschien ursprünglich in der Ausgabe 01/2025 des DZR Xtrablatt.